Unsere Wirbelsäule verbindet die Teile des Skelettes miteinander und umhüllt das im Wirbelkanal liegende Rückenmark. Sie besteht aus 24 freien Wirbeln, die über 23 Bandscheiben beweglich verbunden sind. Hinzu kommen acht bis 10 Wirbel, die zu Kreuz- und Steißbein verwachsen sind.
Bandscheibenerkrankung
Unter der Bezeichnung ‚Bandscheibenvorfall‘ werden Krankheitsbilder der Wirbelsäule zusammengefasst, bei denen es aufgrund verschleissbedingter Verlagerungen von knorpelartigen Gewebsbestandteilen der Bandscheibe in den Wirbelkanal zu Kompressionen von Nervenstrukturen kommt.
Die häufigsten Beschwerdebilder, die hierdurch hervorgerufen werden, bestehen in ausstrahlenden Schmerzen sowie Gefühls- und Kraftausfällen, die von der Lendenwirbelsäule in die Beine (‚Ischialgie‘) sowie von der Halswirbelsäule in die Arme (‚Zervicobrachialgie‘) empfunden werden.
Während die meisten dieser Zustände mithilfe von Medikamenten und Physiotherapie von selbst zur Ausheilung gebracht werden können, erfordern schwierigere Stadien computergesteuerte Injektionen an die betroffenen Nervenbahnen oder insbesondere bei drohender Zerstörung der betroffenen Nerven auch operative Eingriffe zur Entlastung.
Eingriffe
Im Einzelnen werden in unserer Abteilung die folgenden Eingriffe durchgeführt:
Unter Zuhilfenahme des Operationsmikroskops werden Nervenentlastungen über vordere und hintere Zugänge in den verschiedenen Höhen der Wirbelsäule durchgeführt. Für seltene Eingriffe, die eine Eröffnung des Bauch- oder Brustraums erfordern würden, arbeiten wir mit spezialisierten Zentren zusammen.Hierbei können nicht nur die tragenden Wirbelstrukturen, sondern auch die Bandscheiben selbst in den meisten Fällen erhalten werden. Muss eine Bandscheibe komplett entfernt werden, stehen für die Überbrückung der Wirbel moderne Implantate zur Verfügung, die eine feste (Spondylodese) oder bewegliche (Bandscheibenendoprothese) Verbindung der Wirbel wiederherstellen.
Sie werden bereits auf Station nach der Operation durch das Team der Abteilung für Krankengymnastik und Physiotherapie intensiv betreut und in die Übungen eingewiesen. Langanhaltende Bettruhe oder aufwändige Korsettversorgungen kommen im Regelfall nicht auf sie zu, ebensowenig bedingt die mikroskopische Technik dauerhafte Einschränkungen bezüglich Beruf und Sport.
Arthrose der Wirbelgelenke
Zahlenmäßig häufiger und gegenüber den Bandscheibenerkrankungen der Wirbelsäule in ihrer Bedeutung unterschätzt sind die Erkrankungen der kleinen Wirbelgelenke.Diese auch als Facettengelenke bezeichneten Verbindungsstellen zwischen den Wirbeln tragen zwar nicht die hauptsächliche Gewichtslast, aber führen die Wirbel bei Bewegungen. Dadurch sind sie einem stetigen Verschleissprozess unterworfen, der zunächst zu Bewegungsschmerzen, insbesondere bei der Aufrichtung der Wirbelsäule führt, später dauerhafte und für den täglichen Gebrauch der Wirbelsäule sinnlose Dauerschmerzen hervorruft.
In diesem Stadium ist es wichtig, den reinen Arthroseschmerz der Wirbelgelenke von anderen Krankheitszuständen, so einer Verengung des Wirbelkanals, einem Bandscheibenvorfall oder einem Wirbelgleiten durch Instabilität zu differenzieren. Gegen den Gelenksschmerz selbst können dann neben stabilisierenden Kraftübungen oder Bandagen effektiv schmerztherapeutische Manöver eingesetzt werden.
Bei Ansprechen einer Betäubung wird als langanhaltende Maßnahme eine Anwendung von Kälte eingesetzt. Das Verfahren wird minimalinvasiv und ohne Narkose durchgeführt. In der Regel bedarf es einen zweitägigen stationären Aufenthalt. Im Vorfeld wird durch das Anspritzen der Gelenke mit einem lokalen Schmerzmittel die Wirksamkeit des Verfahrens bewiesen. Kommt es hierdurch zu einer Schmerzausschaltung oder Schmerzlinderung, sind die Chancen auf einen langanhaltenden Effekt der Kryodenervation als sehr gut einzustufen. Hierfür wird der Patient auf dem Bauch gelagert. Unter einer leichten Schmerzmedikation, so dass der Patient noch wach und ansprechbar ist, können dann im Röntgengerät die Facettengelenke dargestellt werden. Mit einer Sonde, deren Durchmesser etwa einer Bleistiftmine entspricht, werden die Nerven an den Gelenken aufgesucht und dort die Kälte von etwa minus 60 ° für 1-2 Minuten appliziert.
Eine spezifische Ruhigstellung oder Nachbehandlung ist nicht erforderlich, die Wirbelsäule ist sofort beweglich und auf Stationsebene mobil. Nach kurzer Gewöhnung kann der Patient den stationären Aufenthalt beenden. Primär sollte 2 Wochen nach dem Eingriff größere Belastungen der Lendenwirbelsäule vermieden werden.
Dekompression bei Einengung des Wirbelkanals
Häufig führen Einengungen im Wirbelkanal, die im Rahmen von Verschleissveränderungen von verlagerten Anteilen der Bandscheiben, Wucherungen im Knochenbereich sowie Verdickungen oder Aussackungen der Wirbelgelenke ausgehen können zu druckbedingten Symptomen, die einer Schmerzbehandlung nicht (z.B. bei Lähmungen oder Taubheitsgefühlen) oder nicht für den Patienten ausreichend zugänglich sind. Diese Druckstellen können auch im Austrittsloch der Nerven aus dem Wirbelkanal (das sog. Foramen intervertebrale) entstehen oder sogar neben der Wirbelsäule den Nerven treffen.
In diesen Fällen ist es dann unerlässlich, dem oder den betroffenen Nerven wieder ausreichend freien Raum zu verschaffen, ohne die Haltefunktion der Wirbelsäule oder ihre Bewegungsmöglichkeiten dauerhaft einzuschränken.
Das Operationsmikroskop hat in seiner heutigen Entwicklungsform für den Patienten ungeahnte Vorteile bei solchen Eingriffen gebracht. Diese bestehen darin, selbst bei voroperierten und verwachsenen Situationen zu schonende Strukturen sicher identifizieren zu können und Einblickwinkel zu gewähren, die bei Operation mit dem bloßen Auge nur unter Entfernung gesunder Wirbelstrukturen und damit potentiell schädigend möglich wären. So war es erst in der Mikroskopära möglich, die Abrissvorgänge (Sequestrierung) an der Bandscheibe so zu berücksichtigen, dass im Regelfall nur die verlagerten Anteile entnommen werden müssen und eine ‚Bandscheibenentfernung‘ nur in seltenen Fällen durchgeführt werden muss.
Die sichere Nutzung des Operationsmikroskops setzt eine Erfahrung von mehreren hundert solcher Operationen voraus, sodass junge Chirurgen zunächst herangeführt werden müssen. Hierzu dienen stereoskopische Assistentenoptiken und Videomitbeobachtungsmöglichkeiten im OP.
Eingriffe
Im Einzelnen werden in unserer Abteilung in Zusammenarbeit mit den neurochirurgischen Belegärzten Herrn Dr. med. Uwe Dott und Dirk Greiner (Link zu Dr. Dott und Greiner) die folgenden Eingriffe durchgeführt
- Beseitigung von Nerveneinengungen durch Bandscheibenvorfälle,
- knöcherne Einengungen des Wirbelkanals (Spinalstenosen) oder
- Synovialzysten (Wirbelgelenkaussackungen) der LWS und BWS
- Ventrale Bandscheibenoperationen der HWS mit Überbrückung des betroffenen Bandscheibenraums durch
- feste (Spondylodese)
- oder bewegliche (Arthroplastie, Bandscheibenendoprothetik) Implantate
Alle diese Operationen werden unter Verwendung des Operationsmikroskops (Typ Langenfeld einfügen: Zeiss Vario S88) durchgeführt.
Konservative Wirbelsäulenbehandlung
Rückenschmerzen – Das Kreuz mit dem Kreuz
Rückenschmerz ist unverändert die Volkskrankheit Nummer 1. Ca. 80-90 % der Erwachsenen in Deutschland sind im Laufe des Lebens von einem Rückenleiden betroffen – 50 % davon sind „Kreuzschmerzen“, also Schmerzen im Lendenwirbelbereich.Obwohl mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit steigt, Rückenprobleme zu entwickeln, können schon Kinder ab dem Schulalter darunter leiden.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Rückenschmerzen zu den häufigsten Gründen gehören, aus denen ein Arzt/eine Ärztin konsultiert wird. Rückenschmerzen sind jedes Jahr für Millionen von Krankheitsbedingten Fehltagen verantwortlich und dafür, dass Menschen ihre Berufe nicht mehr ausüben können und umgeschult werden müssen bzw. in Frühpension gehen. Dadurch entstehen dem deutschen Gesundheitssystem und dem Staat jährlich bis zu 17 Milliarden Euro Kosten.
Fächerübergreifende Zusammenarbeit
Die Basis der in unserer Klinik durchgeführten Behandlungsmaßnahmen bildet neben einer intensiven Akutschmerztherapie ein multimodales Therapiekonzept. Die multimodale Therapie ist ein konservatives Intensivprogramm zur Behandlung von PatientInnen mit akuten und chronischen Wirbelsäulenbeschwerden. Der Umfang der anzuwendenden Therapiemaßnahmen richtet sich, basierend auf einem Grundtherapieplan, in ihrer Zusammensetzung individuell nach den bestehenden Beschwerden des Patienten/der Patientin. Die Planung und Therapieerfolgskontrolle während der stationären Behandlung erfolgt durch interdisziplinäre Schmerzkonferenzen.
Unter der Leitung von Frau Dr. med. A. Hemmerling (Oberärztin Anästhesie, spezielle Schmerztherapeutin) nehmen an den Treffen Orthopäden, Neurochirurgen, Unfallchirurgen, Physio- und Ergotherapeuten teil und legen für den Einzelfall die bestmögliche Versorgung des Patienten/der Patientin fest. Damit soll sichergestellt werden, dass den betroffenen Personen die effizientesten und patientenfreundlichsten Behandlungsmethoden angeboten werden können. Eine enge Zusammenarbeit besteht auch mit der Klinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie, das heißt, dass neben den orthopädischen auch psychische und soziale Faktoren, die Auslöser für Wirbelsäulenleiden sein können, in der Therapie berücksichtigt werden. Damit können den PatientInnen zusätzliche Wege zur Heilung bzw. Besserung ihrer Erkrankungen aufgezeigt werden.
Rückenschmerzen sind nicht gleich Rückenschmerzen
International werden Rückenschmerzen in drei Schweregrade, und zwar in „einfache“, „komplizierte“ und „alarmierende Rückenschmerzen“ eingeteilt.
„Einfache“ Rückenschmerzen
- werden im Volksmund als „Hexenschuss“ bezeichnet
- treten plötzlich auf, unabhängig von Position und/oder Belastung
- Die Beschwerden verschwinden meist innerhalb weniger Tage oder Wochen:
- akuter Rückenschmerz = Schmerzen dauern kürzer als 6 Wochen
- subakuter Rückenschmerz = Schmerzen dauern zwischen 6 und 12 Wochen
- chronischer Rückenschmerz = Schmerzen dauern länger als 12 Wochen
- Ursachen sind meist Abnützungen, z. B. Arthrose der kleinen Wirbelgelenke
Die betroffenen Personen sind meist jünger als 60 Jahre und berichten über vorangegangene Fehlbelastungen wie längeres Sitzen, schweres Heben und Tragen, Unterkühlung usw.
Komplizierte Rückenschmerzen
Die Symptome sind ähnlich wie bei einfachen Rückenschmerzen, sie dauern aber länger und können chronisch werden.
- Risikofaktoren für chronische Rückenleiden sind:
- Biologische Risikofaktoren: höheres Alter, Vererbung
- Psychische Risikofaktoren: Stress, Depression, Angst, negative Grundeinstellung
- beruflich bedingte Risikofaktoren: Schwerarbeit, monotone Körperhaltung (z. B. langes Sitzen), berufliche Unzufriedenheit
- Lebensstil: Rauchen, Übergewicht, geringe körperliche Konstitution
Alarmierende Wirbelsäulensymptomatik
Neben bloßen Schmerzen treten neurologische Symptome wie z. B. Sensibilitätsausfälle und Muskelschwäche mit plötzlicher Gehbehinderung auf. Begleitsymptome können Fieber und Gewichtsverlust sein.
Therapien
Bettruhe / Stufenbettlagerung:
zeigt bei der Behandlung von Rückenschmerzen nur im Akutstadium eine Verbesserung und hat eher Nachteile für die Funktionalität der Wirbelsäule!
Schmerzmedikation:
also schmerzstillende Medikamente (Tabletten, Infusionen) nach dem WHO-Schema.
Minimalinvasive Injektionstechniken:
hierbei werden entzündungshemmende Medikamente direkt an den Ort der Schädigung bzw. der Schmerzentstehung gebracht mit dem Vorteil einer zielgerichteten Therapie unter Minimierung der Medikamentennebenwirkungen. Ziel ist es, den lokalen Schmerzkreislauf an der Wirbelsäule zu unterbrechen.
Lokale Wärmeapplikation:
(Wärmebehandlung) wirkt muskelentspannend und fördert die Durchblutung.
Manuelle Medizin:
Mit der Hand werden die Wirbelgelenke abgetastet und ihre Position und Beweglichkeit zueinander beurteilt. Fehlstehende bzw. durch Schmerz blockierte Wirbelgelenke werden mit spezieller Technik vom Therapeuten wieder in die richtige Position gebracht.
TENS:
transkutane (=durch die Haut) elektrische Nervenstimulation: ist ein Verfahren der
Gegenirritation. Es werden Elektroden auf die Haut geklebt, über die Stromreize
gesetzt werden, die die Schmerzempfindung überdecken.
Physikalische Maßnahmen:
Wärme, Kälte, Ultraschall
Physiotherapie / Krankengymnastik:
Dies ist auch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen eine der wichtigsten Therapiepfeiler zur Behandlung und vor allem zur Vermeidung von chronischen Schmerzzuständen der Wirbelsäule. Hier steht der gezielte Muskelaufbau und die Verbesserung der Koordination durch spezielle heilgymnastische Übungen - immer im Beisein eines erfahrenen Physiotherapeuten – im Vordergrund.
Psychologische Therapie:
psychologische Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie zur Schmerzbewältigung, Depressionsbehandlung
Die Kombination mehrerer Therapieformen (Physiotherapie, Verhaltenstherapie, berufsbezogene Rückenschule etc.) ist laut aktueller medizinischer Literatur einer der erfolgreichsten Ansätze bei der Behandlung des Rückenschmerzes.
- Chronische Instabilitäten
- Osteoporotischer Wirbelkörperbruch
- Instabile Wirbelkörperbrüche